Anna Goldbach
Nachhaltig bauen? Das ist im Wyker Gewerbegebiet gerade Realität. So werden beim Bauvorhaben der Petersen und Weber Immobilien GbR dort aktuell etwa zwei Meter Sand aufgefüllt, um auf das Straßenniveau zu kommen. Das alleine hat zunächst erstmal nicht viel mit Nachhaltigkeit zu tun; schaut man sich die Arbeiten aber genauer an, wird klar, dass hier ressourcenschonend gearbeitet wird. Zum Beispiel, weil Torf im Boden bleiben kann und nicht ausgehoben werden muss.
Wie das funktioniert, erklärt Bauingenieur Johannes Kirstein. Kirstein, Bereichsleiter Großprojekte der Firma Menard, ist auf Föhr aufgewachsen. Die beiden Projekte im Gewerbegebiet sind die ersten, die er auf Föhr betreut.
Der Boden im Gewerbegebiet sei weich; die Klei- und Torfschichten wassergesättigt und der Porenwasserüberdruck nehme nur langsam ab und lasse dabei etwa einen halben Meter Setzungen erwarten. Die Setzung sei notwendig, damit der Boden später nicht absackt. Um den Böden schneller das Wasser zu entziehen, damit sie sich verdichten können und nicht absacken, würden dort aktuell Vertikaldrainagen eingebaut, so genannte Drains, erläutert Kirstein. „Im dichten Raster ermöglichen die Vertikaldrains ein schnelles Abströmen des Wassers.“ Der Vorteil: Der Torf kann im Boden bleiben.
Verwendet werden Kunststoffdrainagen, die aus einem gewellten Kunststoffkern bestehen und von einem Filtervlies umhüllt sind. Mit einer Hohlraumlanze werden diese dann in den Boden eingeführt – „und weil auch das Gerät schon ein erhebliches Gewicht hat, sieht man sofort aus den umliegenden Drainagen das Wasser aufsteigen“. In den tief liegenden Bodenschichten bleibe der Torf jedoch nachhaltig wassergesättigt und setze kein Kohlenstoffdioxid frei.
Sind die so genannten „Drains“ einmal gesetzt, wird Sand aufgeschüttet – durch das Gewicht steigt das Wasser aus den Drainagen hervor. Die Setzungen der späteren Nutzlasten würden somit also durch eine überhöhte Vorbelastung durch den Sand vorweggenommen. Und jetzt wird es nachhaltig: „Dieser nach etwa drei bis vier Monaten abgetragene Leihsand vom Wyker Tiefbau kann bei weiteren Bauvorhaben im Gewerbegebiet eingesetzt werden“, erläutert der Experte. Die Einsparungen bei Transportwegen und Sand seien ökologisch und ökonomisch.
Die beiden Gebäude der Petersen und Weber Immobilen GbR benötigen eine Tiefgründung mit Betonsäulen, erläutert Kirstein, die mit einem speziellen CMC-Gerät (Controlled Modulus Columns) in den Boden gebohrt werden. Selbst bei doppelter Stückzahl seien diese wirtschaftlicher als herkömmliche Pfähle, weil auf Stahl verzichtet wird.
Die wirtschaftlichen Vorteile seien gleichermaßen ökologisch durch Einsparung von Beton und Stahl. „Das war entscheidend für die Bauherren, die Architekten für nachhaltiges Bauen beauftragten“, so Kirstein. „Die Bauherren für beide Projekte bauen dadurch langsamer, um ökologisch zu bauen.“
Einer von beiden ist Rolf Weber. „Als wir das Stück Land im Juni gekauft haben, ging es vom Gehweg aus etwa zwei Meter in die Tiefe und da stand eine Wiese voll Wasser“, erinnert er sich. Im B-Plan sei festgeschrieben, „dass nach Fertigstellung ein möglichst einheitliches Höhenniveau da sein soll“. Für das Paar war schnell klar: Fünf Meter Boden auszuheben, um diesen dann durch Sand zu ersetzen, sei Irrsinn.
6800 Drains waren die Lösung. Jetzt wo sie platziert sind, muss das Grundstück ein viertel Jahr ruhen. Dann kann es weitergehen. Entstehen sollen zwei Gebäude; die Büroflächen des ersten seien bereits vermietet. Die des zweiten noch nicht – der Bau des zweiten würde auch erst begonnen, wenn Mieter gefunden sind, so Weber. Noch sei er auf der Suche.
„Überschrift über dem Ganzen, auch über der Art und Weise des Bauens, ist die Nachhaltigkeit.“ Bei den geplanten Gebäuden handelt es sich um Holzständerwerk-Bauten; für die Böden würden nachhaltige Materialien verwendet, auf den Dächern sollen Photovoltaikanlagen angebracht werden, die Zwischenräume würden bemoost und der Rest des Daches soll begrünt werden. Neben den insgesamt 30 Pkw-Stellplätzen sollen außerdem auch Ladesäulen für E-Autos installiert werden. Bezugsfertig soll zumindest das erste Gebäude Ende des Jahres sein; „so im Oktober, November“. Das Zweitgebäude könne „je nachdem, wie schnell Interessenten da sind“, auch bis Ende des Jahres oder Frühjahr 2023 fertiggestellt sein.