SHZ.de - Lokalnachrichten am 11.08.2023

Radwege, Blühstreifen und Nebensaison: Wohin sich der Tourismus auf Föhr entwickelt

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FOTO: JÖRG BRÖKEL
Volles Haus bei der Podiumsdiskussion mit Staatssekretärin Julia Carstens.

Podiumsdiskussion der CDU

Radwege, Blühstreifen und Nebensaison: Wohin sich der Tourismus auf Föhr entwickelt.

Von Jörg Brökel | 11.08.2023, 15:18 Uhr

Den Besuch der Wirtschaftssekretärin Julia Carstens nahm die Föhrer CDU zum Anlass, eine Podiumsdiskussion zum Thema "Tourismus nach Corona" zu organisieren. In zirka 100 Minuten wurden viele sehr unterschiedliche Themen angerissen.

Nein, einen Förderbescheid, so wie ihr Ministerpräsident Daniel Günther vor zweieinhalb Wochen, hatte Wirtschaftssekretärin Julia Carstens nicht im Gepäck bei ihrem Besuch auf Föhr. Dafür zeigte die gebürtige Cuxhavenerin aber reges Interesse an den insularen Themen rund um den Tourismus. Über 30 Besucher hatten sich am Donnerstag, 10. August, im Kaminzimmer des Kurzentrums eingefunden. So voll war es, dass einige Besucher zeitweise stehen mussten.

Zu Beginn gab es auch einige spannende Zahlen rund um den Tourismus auf Föhr. Robert Weber saß für den Verein "Föhr Tourismus Agenturen" auf dem Podium. Er berichtete, dass laut einer Statistik seiner eigenen Agentur "Ferien auf Föhr" die Wohnungsvermietungen in diesem Jahr gegenüber 2019 um 11 Prozent gestiegen seien. "Allerdings erreich die Vermietungen nicht das Rekordniveau des Vorjahres 2022."

Über anderthalb Stunden Austausch zum Thema Tourismus auf Föhr. FOTO: JÖRG BRÖKEL

Der Direktor des Hotel Upstalsboom Patrick Lüders, der ebenfalls in der Diskussionsrunde saß, konnte keinen 2019-2023-Vergleich ziehen. "Das war ja unser erstes Jahr", erklärte Lüders. Was er allerdings im Gästeverhalten ausmache, sei die Kurzfristigkeit der Buchungen. "Heute anrufen und heute kommen, das passiert immer öfter", wusste Lüders zu berichten. Und das passiere manchmal bis zu viermal am Tag. Die Herbstbuchungen für sein Hotel lägen derzeit 20 Prozent unter denen des Vorjahres 2022.

Trotz Klinikaus noch ein Plus von 4 Prozent bei Übernachtungen im Jahr 2022

Einen ähnlichen Trend zeigten auch die Zahlen, die Föhr Tourismus GmbH-Chef jochen Gemeinhardt ausbreitete. Trotz des Aus für die Kliniken Sonneneck und Marienhof in den vergangenen Jahren hätte man 2022 ein Übernachtungsplus von vier Prozent verzeichnen können. "Dabei sind uns durch die Klinikschließungen 80.000 Übernachtungen weggefallen", so Gemeinhardt, "in diesem Jahr werden wir auf ein Minus von fünf bis zehn Prozent Übernachtungen gegenüber dem Vorjahr kommen".

Viele Zahlen und Fakten: Podiumsdiskussion zum Tourismus auf Föhr mit (v.l) Jochen Gemeinhardt (FTG), Robert Weber (Föhr Tourismus Agenturen), Uli Hess (Bürgermeister Wyk und Moderator), Julia Carstens (Wirtschafts-Staatssekretärin Schleswig-Holstein), Patrick Lüders (Hotel Upstalsboom), Manfred Ueckermann (CDU-Landtagsabgeordneter von Sylt). FOTO: JÖRG BRÖKEL

Gästeverhalten hat sich verändert

Auch habe sich das Ausgabeverhalten der Gäste verändert, so Gemeinhardt weiter. Es werde mehr gekocht in den Quartieren. Die vollen Supermärkte seinen ein Indiz dafür.

Der Landtagsabgeordnete Manfred Uekermann ging ein Stück weg von den Zahlen. Er sehe in Zukunft mehr Gäste für den Tourismus im Norden und auf den Inseln. Schließlich sorgten Waldbrände und Temperaturen über 40 Grad in Südeuropa dort für schwierige Situationen: "Das tun sich die Leute nicht mehr an." Auf kritische Nachfragen hin musste der CDU-Mann allerdings seine Aussagen präzisieren. Er sei natürlich nicht für den Klimawandel, sondern wolle nur die Folgen klar und nüchtern darstellen.

Bürgermeister Uli Hess, der die Diskussion leitete, lenkte den Fokus ebenfalls weg von den reinen Daten. Eines seiner Themen war die Infrastruktur und der Wohnungsbau auf Föhr.


"Bei den Radwegen gibt es Defizite. Da brauchen wir gar nicht drum herumreden."

Uli Hess
Bürgermeister Wyk


Förderanträge seien gestellt. In den vergangenen Jahren sei aber tatsächlich nicht viel passiert. Auf die Kritik der zunehmenden Versiegelung von Flächen auf der Insel entgegnete Hess, er sehe dies anders. "Wir gehen mit Neubauten ja gar nicht in die Außenbereiche. Wir versuchen im Bestand zu bauen", so das Wyker Stadtoberhaupt.

Wie kann Wohnraum günstiger werden?

Derzeitige Neubauplanungen sehen den in Wyk entstehenden Wohnraum bei einem Quadratmeterpreis von 14 Euro. "Das ist als nicht bezahlbar zu verstehen", so Hess. man müsse für Dauerwohnraum neue Wege gehen: Serielles bauen könne das Wohnen auf der Insel günstiger machen. Denn bezahlbarer Wohnraum sei wichtig. Nicht nur für die Insulaner, sondern auch für die dringend benötigten Fachkräfte.

Gespanntes Zuhören: (v.l) Uli Hess, Julia Carstens, Patrick Lüders und Manfred Uekermann. FOTO: JÖRG BRÖKEL

Viel Zustimmung erntete Merret-reicht’s-Frau Petra Kölschbach mit ihrer Forderung, den Kreisverkehr zum Gewerbegebiet anders zu gestalten. Kölschbach sagte, "Dieser Kreisel schreit nach Wildblumen." Dazu entgegnete Hess: Eine Neugestaltung des angesprochenen Kreisverkehres werde erst dann in Angriff genommen, wenn die beiden anderen Kreisverkehre gebaut seien. Diese sollen die Ampelkreuzungen in Wyk ersetzen sollen.

Föderunge für insektenfreundliche Begrünung durch das Land

Staatssekretärin Julia Carstens hatte dann auch noch ein kleines Umwelt-Schmankerl dabei. Es gebe eine neue Richtlinie des Landes, Hotels und Gastronomien bei insektenfreundlichen Begrünungsprojekten zu unterstützen: "Dabei können bis zu 80 Prozent der Kosten mit Landesmitteln gefördert werden", sagte die Politikerin. Und auch zur Infrastruktur äußerte sie sich. Die Elektrifizierung der Marschbahn werde kommen. "Aber es dauert einfach alles länger", erklärte sie.

Mehr Gäste in der Nebensaison braucht gute Abstimmung

Natürlich wurde auch mal wieder die Frage erläutert, wie viel Tourismus die Insel verträgt. Peter Schaper, Stadtvertretungsmitglied der SPD und Gastronom, forderte mehr in die Nebensaison auszuweichen und dort auch mit Werbung Gäste zu gewinnen. Tenor war es, dass, wenn es eine solche Erweiterung geben solle, es eine gute Abstimmung aller Tourismus-Akteure geben müsse.

Patrick Lüders vom Upstalsboom wusste von Wintergästen zu berichten, die in der Stadt Wyk kaum geöffnete Läden gefunden hätten. Demgegenüber erklärte Stefan Wriedt im Zuschauerraum, dass er im November allein mit dem Wirt im "Glücklichen Matthias" gesessen hätte.

Die muntere Diskussion gab der Staatssekretärin Julia Carstens wahrscheinlich einen tiefen Einblick in die insularen Interessen und Befindlichkeiten. Und Vorlieben: Denn zum Schluss wurde ihr vom CDU-Ortsvorsitzenden Bernd Flor eine Flasche Manhattan überreicht.