Gibt es Diskrepanzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit?
Angeregte Diskussion zum Thema Tourismus
Der Tourismus ist für die Insel Föhr nicht nur der bedeutendste Wirtschaftsfaktor, durch den ein Großteil der Einwohner Einkommen generiert – der Tourismus hat Auswirkungen auf jeden Bewohner und auf die Insel selbst. Dies nahm nun der Ortsverband der CDU Insel Föhr zum Anlass, um zu einem Erfahrungsaustausch der Hauptverantwortlichen einzuladen. Unter Vorsitz von Bürgermeister Uli Hess (CDU), nahmen im Kaminzimmer des Wyker Kurgartensaals Wirtschafts-Staatsekretärin Julia Carstens (CDU), Landtagsabgeordneter Manfred Uekermann (CDU), Jochen Gemeinhardt, Geschäftsführer der Föhr Tourismus GmbH (FTG), Patrick Lüders, Hoteldirektor des »Upstalsboom Wyk auf Föhr, und Robert Weber, Vorstandsvorsitzender des Föhr Tourismusagenturen e.V., teil. »Die aktuellen Zahlen der W.D.R. besagen, dass wir uns den Zahlen von 2019 nähern«, so Moderator Uli Hess zu Beginn der Sitzung. Wo liege der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit, fragte er Staatssekretärin Carstens, die seit etwas über einem Jahr in Kiel im Amt und dort auch für den Bereich Tourismus zuständig ist. »Die Zahlen für 2022 sind rekordverdächtig«, sagte die 33-jährige Politikmanagerin. »Obwohl wir nicht nur mit den Folgen von Corona zu kämpfen hatten, sondern auch mit den hohen Energiepreisen und dem Arbeitskräftemangel, jammern wir meines Erachtens auf hohem Niveau.
«Schleswig-Holstein wäre eines der Top-Urlaubsländer Deutschlands. Die Tourismusstrategie dürfe sich nicht nur auf das quantitative Wachstum beziehen, sondern müsse ihr Augenmerk auf die Qualität legen. Statt sich auf Zahlen zu versteifen, müsse es eher das Ziel sein, den Trend positiv nach vorne zu bringen. Den positiven Trend konnten auch Hoteldirektor Lüders und der Vorsitzende von 25 Föhrer Vermietungsagenturen, Robert Weber, bestätigen. Die vom Tourismusverband herausgegebenen Steigerungsraten für Mai 2019 beziehungsweise Mai 2022 würde man auf Föhr deutlich übertreffen, sagte Weber. Überhaupt wäre das Jahr 2022 das Rekordjahr schlechthin gewesen. Im »Upstalsboom« würden die Zahlen des diesjährigen Sommers im Vergleich zum Vorjahr wohl gleichbleiben, konstatierte Lüders. Was jedoch enorm angezogen hätte, wären die kurzfristigen Buchungen. Dadurch würde die Planung in Sachen Wareneinsatz oder Personal oftmals erschwert.
Den steigenden Trend der kurz entschlossenen Buchungen sei bei besserem Wetter tatsächlich sofort bemerkbar, bestätigte FTG-Chef Gemeinhardt. 2022 wäre ein »Super-Jahr« gewesen. Trotz Wegfalls von Sonneneck und Marienhof hätten sich die Zahlen der Übernachtungen um vier Prozent gesteigert. Für 2023 schätze er ein Minus von fünf bis zehn Prozent im Vergleich zu 2022. Auffällig wäre, dass die Zahl der nötigen Reservierungen in der Gastronomie nicht so extrem sei wie im Vorjahr. Wegen Corona hätten 30 Prozent erstmals Urlaub auf Föhr gemacht. Maximal drei Prozent davon, schätzt er, würden wiederkommen. »Das ist alles völlig okay, wir sind auf einem guten Level.«
Der von der Insel Sylt stammende Landtagsabgeordnete Uekermann gab zu bedenken, dass der Klimawandel den Küstenschutz noch vor große Aufgaben stellen werde. Die heißen Temperaturen andernorts würden mit Sicherheit noch dazu führen, dass das Klima im Norden in Zukunft noch sehr geschätzt werden würde. Wichtig sei, dass die gute Qualität der medizinischen Versorgung erhalten bleibe. Die Rettungshubschrauber würden gut funktionieren. Insgesamt lebe man gut vom Tourismus, inklusive des Handwerks.
Von einer Zuhörerin angesprochen, sie hätte Sorge, dass man sich mit dem Zubetonieren der Insel oder dem Zubauen der Grundstücke den eigenen Ast absäge, auf dem man sitze, sagte Bürgermeister Hess, er sehe die Befürchtung mit dem Zubauen subjektiv. Schaffung von Dauerwohnungen statt Tourismus müsse das Ziel sein. Ferner wäre es wichtig, das illegale Vermieten von Ferienwohnungen zu kontrollieren. Doch warnte er, dass man sich damit nicht nur Freunde machen würde. Problematisch wäre der Inselzuschlag von 50 Prozent. Auch halte er die derzeitigen 14 Euro pro Quadratmeter für bezahlbaren Wohnraum für zu hoch. Bei den Radwegen gäbe es einen erheblichen Nachholbedarf. Da wäre in der Vergangenheit einiges verschlafen worden, nun seien die Förderanträge jedoch gestellt. Manfred Uekermann bemerkte, dass beim Kreis in Sachen Ferienwohnungen zusätzliches Personal zur Kontrolle eingestellt worden sei, doch würden die Makler bei ihm auf Sylt immer wieder neue Wege für Zweitwohnungsbesitzer kreieren.
Durchaus kreativ waren immer wieder die Wortbeiträge aus dem Publikum. Vermieter forderten eine Verbesserung der Infrastruktur, insbesondere der Marschbahn. Auch seien Autos aus anderen Bundesländern viel zu lange unterwegs. Mit Kopfschütteln würde man auf Föhr-Land beobachten, wie SUVs ins Naturgebiet fahren, den Strand und Küstenschutz kaputt machen und Naturtiere aufschrecken würden. Das Steigen des Meeresspiegels sei die logische Folge.
Staatssekretärin Carstens meinte daraufhin, dass ihres Erachtens Naturerlebnis und Naturschutz mit den Tourismus sehr gut zusammen funktionieren könnten. Auf diese Weise würden Leute hergelockt. Wichtig sei, Wertschöpfung ins Land zu holen, vorhandene grüne Energie im Land zu nutzen. Manfred Uekermann fügte hinzu, dass man Sorge tragen müsse, den Verkehr von Containerschiffen mit ihren riesigen Mengen an Treibstoff von der Region fernzuhalten. 25 Jahre nach der »Pallas«-Havarie könne es wegen Ebbe und Flut immer wieder zu Strandungen kommen.
Eine Zuhörerin forderte das vermehrte Anpflanzen von Wildblumen. Nicht nur am Kreisel, sondern auch am Sandwall. Außerdem sei die Problematik des Zubetonierens ihres Erachtens hausgemacht: Wenn Föhrer zu hohen Preisen ihre Grundstücke verkaufen würden, müsse der Käufer drei Häuser darauf bauen, damit die hohe Investition kostendeckend bleibe. Bürgermeister Hess gab an, dass man die Bepflanzungen auch für den Bau der beiden weiteren Kreisverkehre »auf dem Schirm« habe. Doch er fügte hinzu, dass selbst für das Aufstellen des Weihnachtsbaums ein Vertrag habe geschlossen werden müssen.
Ein Besucher regte an, die Vor- und Nachsaison vermehrt zu fördern, denn bei den Urlaubern zu dieser Zeit sei die Natur als Stellenwert wesentlich höher, als in den zwei Sommermonaten. Die Saisonverlängerung sei tatsächlich ein wichtiges Thema, erwiderte Jochen Gemeinhardt. Doch sei dies auch die Zeit mit den meisten Reklamationen. Familienbetriebene Unternehmen würden »auf dem Zahnfleisch« gehen. Die Folge sei, dass Urlauber in der Zeit ohne Strandkörbe, mit reduzierten Bänken und geschlossenen Läden beziehungsweise Restaurants sich als »Gäste 2. Klasse« fühlen würden. Daraufhin meldete sich ein Junggeselle aus dem Publikum, der sagte, er würde es im November häufig erleben, dass durchaus Restaurants geöffnet hätten, doch sei er um 20 Uhr oft der einzige Gast und würde mit dem Wirt allein sitzen. Die Urlauber zu dieser Zeit würden sich scheinbar damit zufriedengeben, mit einem Buch den Abend im Ferienobjekt ihrer Wahl zu verbringen. Allgemeines wissendes Nicken in der Runde …
Tatsächlich gäbe es bei den Sommern der einzelnen Jahre kaum Unterschiede. Man sei stets ausgebucht, sagte Robert Weber. Wichtig wäre es daher, Urlaubszeiten auszudehnen. So würde man in der Nebensaison Gäste mit Gutscheinen für Saunabesuche oder Elektrorädern locken. Ähnlich sah dies Hoteldirektor Patrick Lüders. Seine Restaurants seien 365 Tage im Jahr geöffnet. Auch im Winter hätte man im Hotel 250 Gäste. Neben dem Spa-Bereich würden Angebote geschaffen wie Mini-Konzerte, Lesungen, Musical-Dinners oder »Wine & Dine«. Hinzu käme im Februar und März eine Kooperation mit einem Museum. »Dazu passt unser Leitsatz: Föhr – zu jeder Jahreszeit eine Reise wert«, warf FTG-Chef Jochen Gemeinhardt treffend ein. Dies konnten sowohl die Diskutierenden auf dem Podium als auch die etwa 60 Zuhörer gut als Schlussgedanken abnicken. Wohl wissend, dass es stets ein schmaler Grat zwischen Bewahren und Verändern ist, damit der einmalige Charme und Charakter der Insel erhalten bleibt.